Dem Fotografenteam Sebastian Wells (Deutschland) und Vsevolod Kazarin (Ukraine) wurde am Donnerstagabend, 4. Mai, der „Deutsche Friedenspreis für Fotografie“ der Stadt Osnabrück und dem ortsansässigen Papierhersteller Felix Schoeller verliehen. In der Preisverleihung im Museumsquartier Osnabrück beglückwünschte Oberbürgermeisterin Katharina Pötter die Fotografen zu dem mit 10.000 Euro dotierten Preis. Wells und Kazarin setzten sich gegen eine hochkarätige internationale Konkurrenz aus 98 Ländern mit ihrer Arbeit „Young People Photographed in Kyiv, April and May 2022“ durch.
Die Gewinner in den mit jeweils 5000 Euro dotierten Kategorien des Felix Schoeller Photo Awards sind Alain Schroeder, ein in Brüssel lebender Fotograf, mit seiner Serie "Muay Thai Kids" in der Kategorie „Fotojournalismus“, Simone Tramonte aus Italien mit der Serie „Neue Wege in die Zukunft“ in der Kategorie „Nachhaltigkeit“ und Damian Lemański aus Warschau mit „Kinder von Lunik IX“ in der Kategorie „Porträt“.
Der Titel „Beste Nachwuchsarbeit“ des Felix Schoeller Photo Awards ging an Lisa Marie Asubonteng, eine in Berlin lebende Deutsch-Ghanaerin, für ihre Arbeit „The Holy Women“. Der Nachwuchspreis würdigt talentierte junge Fotografinnen und Fotografen, die vielversprechende Nachwuchsarbeit leisten.
Die Siegerserien wie auch die Arbeiten der Nominierten der beiden Preise werden in einer Ausstellung vom 5. Mai bis zum 6. August im Museumsquartier Osnabrück präsentiert.
Zum dritten Mal hat die Stadt Osnabrück gemeinsam mit Felix Schoeller den 2019 in Leben gerufenen „Deutschen Friedenspreis für Fotografie“ vergeben. Die Initiatoren haben den Preis aus der besonderen Geschichte der Stadt ins Leben gerufen. Als Ort des Westfälischen Friedensschlusses von 1648 versteht Osnabrück seine Geschichte als Verpflichtung für friedenspolitisches Engagement. Angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und des 375. Jubiläums des Westfälischen Friedens ist die Vergabe des Friedenspreises aktueller denn je.
„Vsevolod Kazarin und Sebastian Wells sind dicht dran an ihrer Generation in Kiew, stellen in ihrem Kooperationsprojekt Kunstschaffende vor und machen Zivilistinnen und Zivilisten sichtbar, als selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger ihrer Stadt. Aus den Gesichtern spricht einerseits der Schock über die Invasion, aber andererseits vor allem Entschlossenheit und Widerstandskraft, die sie der Bedrohung entgegenhalten“, kommentiert der Jury-Vorsitzende Michael Dannenmann den Juryentscheid. „‚Es sind Dokumente der Emanzipation einer mutigen jungen Generation, die ihre errungenen Freiheiten und Rechte verteidigen will. Sie machen deutlich, wie sehr Freiheit und Frieden zusammengehören, sie zeigen wie sehr beides gefährdet ist und wie sehr um beides gekämpft werden muss“, so der international renommierte Porträtfotograf Michael Dannenmann weiter.
„Unser Unternehmen ist unmittelbar vom Krieg in der Ukraine betroffen. Zwei russische Mitarbeiter, die vor wenigen Monaten noch Kollegen waren, sind einberufen worden und gefallen. Deshalb ist es uns wichtig, mit der Vergabe des Deutschen Friedenspreis für Fotografie ein Zeichen zu setzen. Unser Engagement empfinden wir als Verpflichtung und Herzenssache“, betont Hans-Christoph Gallenkamp, CEO Felix Schoeller. „Der Deutsche Friedenspreis für Fotografie ist ein wichtiger Bestandteil der Friedensstadt Osnabrück und zeigt, dass wir auch auf Ebene einer Kommune aktive Zeichen für den Frieden setzen können“, ergänzt die Leiterin des Fachbereichs Kultur der Stadt Osnabrück, Patricia Mersinger.
Deutscher Friedenspreis für Fotografie für Sebastian Wells und Vsevolod Kazarin
In ihrer Arbeit „Young People Photographed in Kyiv, April and May 2022“ zeigen die beiden Fotografen Vsevolod Kazarin, ein Modefotograf aus Kiew und Sebastian Wells, ein Dokumentarfotograf aus Berlin, die junge Generation von Kreativen in Kiew, die nicht aufhören, ihre Identität auszudrücken, die von einem Erwachsenwerden voller Revolutionen, Konflikte und Krieg geprägt ist. Indem sie die Mittel der Dokumentarfotografie nutzen und die Protagonisten aus der Situation heraus und in ihrem jeweiligen Umfeld porträtieren, sind die Bilder nicht nur eine Stilreportage, sondern Zeugnis eines historischen Moments.
In einem Moment des Konflikts und der Gewalt ist der künstlerische Ausdruck ihre Form des Widerstands gegen Tyrannei, Krieg und Unterdrückung. Fotografie und Selbstdarstellung durch Mode sollen Freiheit manifestieren, indem sie die Fantasie für eine schöne Gegenwart und Zukunft zulassen, Emotionen ausdrücken, einen Dialog schaffen und die Pfeiler für künstlerische Freiheit in einem Krieg hochhalten.
Nach dem Ausbruch des Krieges Russlands gegen die Ukraine entschloss sich Sebastian Wells, nach Kiew zu reisen und traf dort Vsevolod Kazarin. Gemeinsam fotografierten sie nicht nur als Team, sondern gründeten auch soлomiya, eine pannationale Künstlerzeitschrift, die sowohl in Deutschland als auch in der Ukraine erscheint und weltweit vertrieben wird.
Vsevolod Kazarin (geboren 2000) ist Künstler und Fotograf. Er wurde in der Region Luhansk geboren und wuchs in einem Kiewer Vorort auf, wo er heute lebt. Nach seinem Bachelor-Abschluss in Fotografie an der Nationalen Universität für Kultur und Kunst in Kiew arbeitet Vsevolod Kazarin an künstlerischen, redaktionellen und kommerziellen Projekten. Seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine konnte Vsevolod sich nicht von der unvorstellbaren aggressiven Gewalt fernhalten, die überall in seinem Land stattfindet. Er versucht, Wege zu finden, die Fotografie als visuelle Sprache zu nutzen, um über diese unsagbar grausame Realität zu reflektieren.
Sebastian Wells (geboren 1996) ist in Berlin geboren und aufgewachsen. Als Mitglied des Berliner Fotografenkollektivs OSTKREUZ arbeitet er an Aufträgen und eigenen Projekten als Dokumentarfotograf. Er studierte Fotografie an der Ostkreuzschule in Berlin, der Fachhochschule Bielefeld und der KASK School of Arts in Gent und ist Galeriekünstler in der Galerie Springer.
Nominierte des Deutschen Friedenspreises für Fotografie 2023
Mattia Velati, Mailand / Italien
“Yemen: beauty on the edge of war”
Nach acht Jahren Krieg befindet sich Jemen in einer der schlimmsten humanitären Krisen der Welt. Der zweite Waffenstillstand zwischen den Houthi-Rebellen, die 2014 einen Staatsstreich verübt hatten, und der von der saudi-geführten Koalition unterstützten Regierung endete im Oktober 2022, und wenige Kilometer vor Marib, der letzten Stadt im Norden des Landes, die sich in den Händen der Regierung befindet, brach die Gewalt erneut aus. Aden ist zur De-facto-Hauptstadt des südlichen Staates Jemen geworden und befindet sich in den Händen der STC, einer abtrünnigen Partei. In der kollektiven Vorstellung ist Jemen ein von Krieg und Verzweiflung zerrissenes Land, aber das ist nicht alles.
Marib und Aden sind vom Krieg gezeichnet, aber in beiden Städten beginnt sich das Leben trotz der Kämpfe langsam zu normalisieren. Die Zivilbevölkerung drängt sich auf den Straßen und sucht nach Orten, an denen sie sich versammeln und von einem Leben ablenken kann, das seit Jahren so viel Leid mit sich bringt und ganze Familien entzweit oder auslöscht. Es ist eine Geschichte, die dem jemenitischen Volk gewidmet ist, das in einem kriegerischen Umfeld nach Gelassenheit sucht.
Yagazie Emezi, Lagos / Nigeria
“Another Tale By Moonlight”
„Another Tale by Moonlight“ ist eine Neuinterpretation europäischer Märchen, die historische, kulturelle, ökologische und zeitgenössische sozio-politische Realitäten Nigerias gegenüberstellt. Diese Serie beleuchtet verborgene Erzählungen und die miteinander verflochtenen moralischen Komplexitäten beider Kulturen, während sie die Möglichkeiten des visuellen Geschichtenerzählens jenseits westlicher Standards erweitert. „Meine Identität als Igbo-Frau, das komplizierte und komplexe Geflecht meiner Geschichte und die Rückbesinnung auf diese frühen europäischen Fabeln und die Traditionen von "Tales by Moonlight" sind eine persönliche Auseinandersetzung mit meiner - und der Geschichte meines Landes“, so Emezi. „Another Tale By Moonlight" befasst sich mit den Problemen und Kämpfen unserer Vergangenheit, Gegenwart und der sich abzeichnenden Zukunft, indem es erforscht, auf welche Weise diese Konflikte, visuell umgestaltet, der Macht und dem Handeln die Wahrheit sagen können.
César Dezfuli, Madrid / Spanien
„Passengers“
„Am 1. August 2016 wurden 118 Menschen aus einem Schlauchboot gerettet, das im Mittelmeer, 20 Seemeilen vor Libyen, trieb. Eines von Hunderten von Booten, die in den letzten Jahren von dieser Migrationsroute gerettet wurden.
In dem Versuch, dieser Realität einen Namen und ein Gesicht zu geben, diese Tragödie zu vermenschlichen, habe ich die 118 Menschen porträtiert, die sich an Bord desselben Bootes befanden, Minuten nach ihrer Rettung. Ihre Gesichter, ihre Blicke, die Spuren an ihrem Körper... spiegeln die Stimmung und den körperlichen Zustand wider, in dem sie sich nach einer langen Reise befanden, die ihr Leben bereits für immer geprägt hatte.
Aber das war nur der Anfang dieses Projekts. Ich begriff bald, dass die von mir porträtierten Personen keine wirkliche Identität hatten. Sie waren nicht sie selbst, sondern das Ergebnis einer langen Reise, auf der ihre Identität in der Masse verwässert worden war. In den letzten sechs Jahren habe ich mich bemüht, die 118 von ihnen ausfindig zu machen, die heute über ganz Europa verstreut sind, um ihre wahre Identität zu verstehen und zu dokumentieren“, so Dezfuli.
Aljoscha, Düsseldorf / Deutschland
„Project Hope“
Bioismen suchen und finden ein neues Zuhause in den Sonderschulen und Asylen der Ukraine. Sie wurden durch Minenfelder, Verhöre und Hunderte von Kontrollpunkten gebracht und geben den Lehrern und Schülern ein Licht der Hoffnung, denjenigen, die krank und müde sind, die auf das Ende von Hausunterricht und Luftalarm warten, die auf das Ende von Bombenangriffen, sinnloser Gewalt und Grausamkeit warten, die auf das Ende des schändlichen Krieges warten.
14 ukrainische Sonderschulen sowie neurologische und pflegerische Einrichtungen nahmen die zerbrechlichen, durchsichtigen biofuturistischen Formen als Zeichen der zukünftigen надiя (Hoffnung), des Friedens, der Freundlichkeit und der Befreiung vom Leiden auf.
Die Jury „Deutscher Friedenspreis für Fotografie“
Michael Dannenmann ist ein international renommierter Porträtfotograf aus Düsseldorf, von Beginn an Juryvorsitzender des Felix Schoeller Photo Awards und Kurator zahlreicher Ausstellungen.
Simone Klein ist Art Advisor sowie unabhängige und öffentlich bestellte und vereidigte Gutachterin für Fotografie in Köln. Sie ist Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh).
Cathérine Hug schloss ein Studium in Kunstgeschichte, Informatik und Publizistik ab. Seit 2013 sie Kuratorin am Kunsthaus Zürich. 2019 sowie 2020 wurde Hug von der Zeitschrift Women in Business in die Liste der Top-100-Frauen der Schweiz für Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Medien, Digital und Startups aufgenommen.
Hannah Schuh arbeitet seit 2013 als Visual Director bei ART – Das Kunstmagazin. Nach ihrem Fotografie Studium an der Royal Academy of Arts in Den Haag begann sie ihre Ausbildung zur Bildredakteurin bei der ZEIT. Sie arbeitete als freie Fotografin und Bildredakteurin bei der ZEIT und Tempus Corporate.
Nils-Arne Kässens ist Direktor des Museumsquartiers Osnabrück. Er wurde Ende 2016 mit dem Konzept „Museum als Friedenslabor” an das Haus geholt.
Ulrich Schneckener ist seit 2009 Professor für Internationale Beziehungen & Friedens- und Konfliktforschung an der Universität Osnabrück. Seit 2016 ist er Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF).
Weitere Informationen sowie alle weiteren Preisträgerinnen und Preisträger und die Nominierten finden Sie unter www.felix-schoeller-photoaward.com