Aslı Erdoğan, Foto: Angela von Brill
Aslı Erdoğan, Foto: Angela von Brill

Aslı Erdoğan

türkische Schriftstellerin und Journalistin

Seit 1991 verleiht die Stadt Osnabrück alle zwei Jahre den nach dem weltbekannten, in Osnabrück geborenen Schriftsteller Erich Maria Remarque benannten Friedenspreis. In diesem Jahr wird die Auszeichnung zum 14. Mal vergeben.

Den mit 25.000 Euro dotieren Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis erhält die türkische Journalistin und Schriftstellerin Aslı Erdoğan, vor allem für ihr journalistisches und schriftstellerisches Wirken, für ihr Berichten über die Auswirkungen der politischen Verhältnisse in der Türkei auf die Menschen und ihren Alltag. Verliehen wird der Preis insbesondere auch im Hinblick auf die jüngst erschienene Essaysammlung Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch (Knaus-Verlag, 2017), die eine Auswahl ihrer Essays enthält, die derzeit nicht in der Türkei erscheinen können. Ihre erzählerischen Texte sind dabei weniger konkret politisch als mehr „seismographisch für den Schmerz der Opfer, die Grausamkeiten, die sie erlitten“, so die Jury. Einfühlsam, poetisch und in aller Deutlichkeit steht die Diskriminierung von Frauen im Mittelpunkt ihres Schreibens, darüber hinaus widmet sie sich Themen wie Völkermord, Gewalt, Unterdrückung, Folter und Krieg.

„Aslı Erdoğan widmet sich in ihren Essays all den Themen, die die Spannungen innerhalb der Türkei aber auch zwischen der Türkei und Europa ausmachen. Wenn nicht einmal mehr das Schweigen uns noch gehört, wie steht es dann erst um die Sprache und das Denken?! Sie schreibt entlang der Hemmnisse, die uns verdeutlichen, dass Errungenschaften keine Selbstverständlichkeiten sind. Insofern vervollständigt der Sonderpreis für die Initiative ‚Pulse of Europe‘ die diesjährige Preisverleihung“, so Oberbürgermeister Wolfgang Griesert.

„Mit Aslı Erdoğan zeichnen wir eine Schriftstellerin und Journalistin aus, die in ihren Texten die Ereignisse aus einer für mich völlig unbekannten weiblichen Perspektive darstellt. Daran wird deutlich, dass Frauen in einer für Männer kaum vorstellbaren Sicht unter Gewalt und Unterdrückung leiden“, so der Juryvorsitzende Prof. Dr. Wolfgang Lücke, Präsident der Universität Osnabrück.

Aslı Erdoğan lässt den Leser die Erniedrigung und Verzweiflung der Betroffenen spüren, aber auch die Kraft und den Mut und schreibt damit ganz im Sinne Remarques:

„Die Menschen müssen sehen und hören, was Einzelnen geschieht, weil ihre Vorstellungskraft den allgemeinen Fakten nicht gerecht wird; sie kann nicht zählen. Eine Katastrophe fordert fünf Millionen Opfer, und das bedeutet nichts – die Zahl ist leer. Aber wenn ich ihnen einen einzigen Menschen in seiner Vollkommenheit zeige, sein Vertrauen, seine Hoffnungen und seine Schwierigkeiten, und ihnen dann zeige, wie er stirbt, ist das für immer in ihr Gedächtnis eingeschrieben“. (Erich Maria Remarque, 1946)

Die Jury betont mit dieser Auszeichnung besonders die Unantastbarkeit freier Presseberichterstattung sowie die Notwendigkeit unzensierter Veröffentlichung von Informationen und Meinungen, dies vor allem im Hinblick auf die weltweit zunehmende Einflussname von Regierungen und Politik auf Medienberichterstattung.
Aslı Erdoğan, geboren 1967 in Istanbul, studierte Physik und arbeitete von 1991 bis 1993 am europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf. Schon als Kind schrieb sie Gedichte und Kurzgeschichten, veröffentlichte eine davon im Alter von 10 Jahren. 1990 belegte sie mit ihrer ersten Novelle den dritten Platz des türkischen Literaturwettbewerbes Yunus-Nadi-Preis. Von 1994 bis 1996 lebte sie in Brasilien, da sie sich in der Türkei bedroht fühlte. Ihr erster Roman Der wundersame Mandarin) erschien 1996. Mit ihrem dritten Buch Die Stadt mit der roten Pelerine gelang ihr der Durchbruch als Schriftstellerin. Von 1998 bis 2001 schrieb sie für die linksliberale Tageszeitung Radikal Kolumnen, berichtete über die Bedingungen in türkischen Gefängnissen, über Folter, Gewalt gegen Frauen und über die staatlichen Repressionen gegen Kurden. Sie ist Mitglied im P.E.N. und war als „writer in residence“ wiederholt in Zürich. Seit 2013 schreibt sie für die kurdisch-türkische Tageszeitung Özgür Gündem, die im August 2016 geschlossen wurde mit der Begründung, sie verbreite Propaganda für die PKK. Aslı Erdoğan wurde am 16. August 2016 im Rahmen der so genannten „Säuberungen“ nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei vom 15. Juli 2016 mit 22 anderen Journalisten der Zeitung verhaftet. Ende Dezember 2016 wurde sie entlassen, allerdings galt für sie eine Ausreisesperre. Am 07. September erhielt sie überraschend ihren Reisepass zurück und konnte somit die Türkei für die Verleihung des Erich Maria Remarque-Friedenspreises verlassen. Im Moment lebt sie in Deutschland.

Pulse of Europe (Sonderpreis)

Der Verein „Pulse of Europe“ erhält den mit 5.000 € dotierten Sonderpreis für das Eintreten für ein Europa, „in dem die Achtung der Menschenwürde, die Rechtsstaatlichkeit, freiheitliches Denken und Handeln, Toleranz und Respekt selbstverständliche Grundlage des Gemeinwesens sind“ (pulseofeurope.eu). Im Hinblick auf zurückliegende und bevorstehende Wahlen in USA, Europa und Deutschland, aber auch mit Blick auf die Entwicklungen in der Türkei unterstützt die Jury das Anliegen von „Pulse of Europe“, die Europäische Union als Bündnis zur Sicherung des Friedens zu erhalten.

„Pulse of Europe“ wurde 2016 in Frankfurt zunächst als Bürgerinitiative gegründet und ist seit April 2017 ein eingetragener Verein. Initiiert wurde die Bewegung aufgrund des weltweit zunehmenden Erfolges nationalistischer und populistischer Bewegungen, der Wahlergebnisse in Großbritannien (Brexit) und USA (Trump) sowie im Hinblick auf die Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland. Seit Februar 2017 finden jeden Sonntag um 14 Uhr Kundgebungen auf öffentlichen Plätzen der teilnehmenden Städte statt. Im April 2017 nahmen in 16 europäischen Ländern (neben Deutschland in Albanien, Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland, Kosovo, Luxemburg, Niederlande, Polen, Portugal, Schweden, Spanien, Österreich, Ukraine) und über 80 Städten ca. 50.000 Menschen teil. Der Verein ist bewusst überparteilich, man wolle „einen Raum schaffen, in dem Europas Bürger unabhängig von politischen Vorgaben […] Ideen und Lösungen für die unbestritten vorhandenen Probleme entwickeln können“ (PoE).

Weitere Informationen unter www.pulseofeurope.eu.

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