In seiner Begrüßung in Vertretung der erkrankten Oberbürgermeisterin Katharina Pötter verwies Volker Bajus, Osnabrücker Ratsmitglied und Mitglied des Niedersächsischen Landtags, auf die ambivalente Signalwirkung des Preises: Auf der einen Seite zeichne dieser Personen für ihr überragendes Engagement aus, auf der anderen Seite bringe der Preis aber auch immer wieder in Erinnerung, noch immer nicht in einer Gesellschaft angekommen sein, in der geschlechtliche Identität keinen Unterschied mehr mache. Zur Preisträgerin gewandt betonte er, sie schärfe den Blick für die Belange von mehrfachdiskriminierten Gruppen.
Im Vorjahr hatte Anbid Zaman als erste genderfluide Person den Rosa-Courage-Preis erhalten. In einer emotionalen, sehr persönlichen Laudatio auf Katharina Oguntoye hob Zaman die Vorbildfunktion hervor, die die Aktivistin, deren Kampf älter sei „als ich selbst“, für die queere Community in Deutschland habe: „Du hast Menschen wie mir ein Gesicht gegeben.“ Die Preisträgerin sei eine große Inspiration. Sie habe einmal gesagt, Courage sei ansteckend, erinnerte sich Zaman und fügte sichtlich bewegt hinzu: „Katharina, du hast mich angesteckt.“
Carolyn Gammon betonte die intersektionale Perspektive der Arbeit der Preisträgerin: Als Afrodeutsche habe sie ihre antirassistische Politik in die deutschsprachige LSBTIQ*-Community eingebracht und ihre Wut über Diskriminierungserfahrungen – einerseits als Schwarze und andererseits als lesbische Frau – in Liebe und positive Energie verwandelt.
Oguntoye selbst richtete über eine Video-Chat-Verbindung Dankesworte an die Jury und die Organisatoren des Rosa-Courage-Preises: „Es ist mir eine wahnsinnig große Ehre, beim ältesten Preis dieser Art in Deutschland in eine Reihe toller Preisträger eintreten zu dürfen.“ Der Preis gehöre nicht ihr, sondern der gesamten Community. „Ich verspreche: Sobald ich wieder laufen kann, ist mein erster Stopp in Osnabrück.“
Lars Linnhoff, 1. Vorsitzender Gay in May e.V., lobte die Preisträgerin: „Katharina Oguntoye verdeutlicht mit ihrer Arbeit, dass es um mehr geht, als queer zu sein. Es geht ums Menschsein. Und darum, eine Gesellschaft zu werden, in der alle Menschen in ihren Unterschiedlichkeiten auf Augenhöhe miteinander leben und die gleichen Rechte haben. Ein Anliegen, das uns als Verein Gay in May sehr wichtig ist.“
Die 1959 in Zwickau als Afrodeutsche geborene deutsche Schriftstellerin und Aktivistin erlangte besondere Bekanntheit durch die Mitherausgabe des Buches „Farbe bekennen“. Darüber hinaus engagiert sie sich für die Belange afrodeutscher und afrikanischer Menschen – insbesondere für Frauen - und wurde im vergangenen Jahr für ihre Arbeit gegen Rassismus, Sexismus, Homophobie und für Gleichberechtigung und Teilhabe interkultureller Gemeinschaften mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Hintergrund zum Rosa-Courage-Preis
Der Preis „Rosa Courage“ wird seit 1992 im Rahmen von „Gay in May – Queere Kulturtage Osnabrück“ verliehen. Mit dieser Auszeichnung soll herausragendes Engagement für die Belange von LSBTIQ* gewürdigt werden. Die deutsche Abkürzung LSBTIQ* steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und Queers.
Schon ein Blick auf die Liste der bisher gewürdigten Personen genügt, um einen Eindruck von deren Vielfältigkeit zu bekommen – eine faszinierende Galerie von LSBTIQ -Politik, Kunst und Kultur: darunter waren unter anderem die Schriftstellerin Carolin Emcke, die heutige Bundestags-Kulturstaatsministerin Claudia Roth, der Schriftsteller Lutz van Dijk, die Schauspielerin Maren Kroymann, der Comic-Autor Ralf König, die ehemalige Vizepräsidentin des Europaparlamentes, Ulrike Lunacek oder der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit.
Gay in May sind die ältesten queeren Kulturtage Deutschlands. 2023 werden die Kulturtage bereits zum 45. Mal ausgeführt. Die Osnabrücker Oberbürgermeisterin übernimmt erneut die Schirmherrschaft.