1648 strahlend weiße Heu- und Mistgabeln spannen sich an der Fassade des Osnabrücker Rathauses empor und sind von weithin sichtbar. Der Blick der Betrachtenden folgt den Forken vom Sockel des Rathauses 15 Meter hinauf bis zum Dach. Am Samstag, den 30. September, hat der Osnabrücker Künstler und Aktivist Volker-Johannes Trieb seine temporäre Installation „forx. pitchforks for peace“ feierlich an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt übergeben.
Die monumentale Skulptur ist noch bis zum 31. Oktober am Rathaus in Osnabrück zu sehen, wo vor 375 Jahren der Westfälische Frieden verkündet wurde. Dieser beendete nach drei Jahrzehnten einen weiträumigen Territorialkrieg und besiegelte eine Friedensordnung gleichberechtigter europäischer Staaten – die Geburtsstunde der Idee eines Europas als Staatenbund.
„Die Installation aus 1648 Forken im Herzen der Stadt ist ein ungewöhnliches Mittel –und das an passender Stelle. Von der Treppe des Osnabrücker Rathauses wurde nach 30 Jahren Krieg 1648 der Westfälische Friede verkündet. Ganze Generationen hatten nur Krieg erlebt, die Menschen in Europa sehnten sich so sehr nach Frieden. Diese Installation schafft auch eine Brücke zu unserer eigenen Geschichte, nicht nur zu der des Westfälischen Friedens, sondern auch zu anderen dunklen Zeiten, in denen Menschen verfolgt, erniedrigt und getötet wurden. Sie erinnert uns daran, dass so etwas nie wieder geschehen soll und steht für Toleranz und Menschlichkeit“, so Osnabrücks Oberbürgermeisterin Katharina Pötter über das Kunstwerk.
Der Künstler hat die Forken aus jenen Ländern zusammengetragen, die bis 1648 Konfliktparteien des 30-Jährigen Krieges waren und ihnen mit einem Holzbalken sowohl ihre ursprüngliche Funktion in der Landwirtschaft als auch ihre Wehrhaftigkeit genommen.
„Heute genau wie vor 375 Jahren stehen wir vor umwälzenden Herausforderungen. Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie, um den derzeitigen Krisen und Katastrophen zu begegnen und gesellschaftlichen Frieden zu sichern. Der Krieg gegen die Ukraine hat die landwirtschaftliche Produktion einbrechen lassen und den weltweiten Hunger verschärft; die Folgen der Klimakrisen bekommen die Menschen in den ärmsten Ländern am stärksten zu spüren, die die Katastrophe nicht verursacht haben. Mit meiner Installation ‚forx‘ möchte ich ein Zeichen der Solidarität setzen und Perspektiven für nachhaltige Veränderungen anstoßen“, so Volker-Johannes Trieb über sein Kunstwerk
Für seine bisher umfassendste Intervention hat Trieb zahlreiche Unterstützer und Unterstützerinnen gewonnen und in die Realisierung der temporären Arbeit eingebunden. Landwirte und Privatpersonen waren aufgerufen, alte Heu-, Erd-, Mist- und Rübengabeln zu spenden und gegen neue Exemplare einzutauschen. Anschließend begann die künstlerische Verwandlung: die Forken wurden weiß lackiert, mit einem Holzbalken auf den Zinken verfremdet und netzartig miteinander verbunden. Die Mistgabel, Symbol ländlicher Arbeit, die in Kriegszeiten zur Waffe wurde, wird zum Zeichen des Friedens umgestaltet. So entspannt sich zum Höhepunkt des Friedensjubiläums und des Festakts am 25. Oktober am Markt in Osnabrück ein Sinnbild für ein friedliches Miteinander und Zusammenhalt. Begleitend zur monumentalen Installation am Osnabrücker Rathaus können Skulpturen aus der Serie „forx. pitchforks for peace“ erworben werden, deren Erlös einem weltweiten Wasserprojekt zugutekommen.
Auch Claudia Pahl-Wostl von der Universität Osnabrück appellierte in ihrer Eröffnungsrede, dass die Zeit für ein Umdenken gekommen sei: „Wir müssen das Verhältnis von Mensch und Natur neu denken, Nachhaltigkeit muss im Mittelpunkt stehen und Umwelt, Soziales und Ökonomie gleichwertig betrachtet werden. ‚forx. pitchforks for peace‘ ist ein optimistisches und friedensstiftendes Projekt, das zum Nachdenken anregt. Die Vernetzung der Mistgabeln und der partizipative Prozess, in dem die Installation entstanden ist , stehen auch für ein neues Miteinander, das notwendig ist , um die wichtigen Herausforderungen unserer Zeit anzugehen.“
Festakt zum Jahrestag am 25. Oktober
In Osnabrück wird am 25. Oktober die Freude über den Friedensschluss zu hören sein: Den ganzen Tag über finden in der Stadt Konzerte statt, und unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident a.D. Christian Wulff singt ein riesiger Chor aus heimischen Chören, und auch aus Gruppen aus den Partnerstädten und internationalen Jugendchören. Nach einem Gottesdienst im Dom endet der Tag mit dem hochkarätig besetzten Demokratie-Forum im Felix- Nussbaum-Haus.
Alle Informationen zum Friedensjubiläum in Osnabrück gibt es online unter friedensstadt.osnabrueck.de.
Über den Künstler
Seit über 30 Jahren engagiert sich der Künstler Volker-Johannes Trieb in seiner künstlerischen Praxis für humanitäre und gesellschaftliche Anliegen und hat in seiner Heimatstadt Osnabrück zahlreiche bleibende Spuren seines Engagements hinterlassen. International hat er in den letzten Jahren ebenfalls auf sich aufmerksam gemacht, z. B. mit einer Protestaktion zur Fußball WM in Katar 2022, als der Künstler auf die fatale Situation der dortigen Arbeitsmigranten aufmerksam machte, indem er 6.500 mit Sand gefüllte Fußbälle vor der FIFA-Zentrale in Zürich ablud. Für sein bemerkenswertes Kunstprojekt „Not then, not now, not ever!“ zum 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkrieges wurden 31 Künstler aus Staaten eingeladenen, die am Ersten Weltkrieg militärisch beteiligt waren. Holzstämme aus Gegenden, die stark vom Ersten Weltkrieg betroffen waren, wurden von internationalen Künstlern gestaltet und im Deutschen Bundestag sowie im Europaparlament in Brüssel gezeigt. Unter anderen waren beteiligt: Monica Bonvicini, Tony Cragg, Anish Kapoor und Sean Scully.