Archivmeldung

Ein Aufbruch im Zeichen Remarques und Vordemberge-Gildewarts

Doppelausstellung zeigt die Anfänge des Schriftstellers und des Künstlers

Das Jahr 1924 war nach Krieg und Wirtschaftskrise mit einem Aufbruch auch für die beiden Osnabrücker Erich Maria Remarque und Friedrich Vordemberge-Gildewart (VG) verbunden. Sie hatten ihre Geburtsstadt verlassen und trafen sich in Hannover wieder. Auch sie, jeder auf seine Weise, schickten sich an, die Vergangenheit zu verabschieden und die Möglichkeiten der Moderne auszuloten: der eine in der Literatur, der andere in der Kunst. Auch sie wurden zu Wegbereitern der Moderne, auf die sich heute noch zeitgenössische Künstler beziehen. Und so versammelt der Titel dieses Projektes, das die Kooperation Remarques und VG‘s vor genau 100 Jahren in Hannover in den Mittelpunkt stellt, die Stichworte einer Erzählung. Sie schlägt einen Bogen bis in die Gegenwart: „Aufbruch 1924: Vordemberge-Gildewart und Remarque – zwei Wegbereiter der Moderne; 2024: Zeitgenössische Perspektiven“. Die Doppelausstellung ist zu sehen vom 24. März bis 26. Mai 2024 im Remarque-Friedenszentrum und im VG-Haus. 

„Ich war überrascht, als der Leiter des Remarque-Friedenszentrums, Dr. Sven Jürgensen, vor knapp einem Jahr mich auf das kaum bekannte Zusammentreffen der beiden Osnabrücker Remarque und VG hinwies und erklärte, daraus eine Ausstellung machen zu wollen“, sagt Oberbürgermeisterin Katharina Pötter. „Dass daraus eine Kooperation zwischen dem Remarque-Friedenszentrum, der Treuhandstiftung ‚kunst.konkret.konstruktiv - vordemberge-gildewart‘, der Bürgerstiftung Osnabrück und dem VG-Haus der ‚Sievert Stiftung für Wissenschaft und Kultur‘ werden würde, war damals noch nicht abzusehen.“ „Umso schöner, dass es zu dieser Kooperation gekommen ist. Das ist beispielhaft“, sagt der Stifter Prof. Dr. Hans-Wolf Sievert. „Wir wollen aus dem Geburtshaus VG’s einen neuen Kulturort in Osnabrück machen. Ein Schwerpunkt soll die konkret-konstruktive Kunst sein. Wir wollen aber auch in der Region ansässige Künstler vorstellen. Deswegen haben wir das Haus saniert und sind mit der Sievert Stiftung dort eingezogen. Vor diesem Hintergrund passt dieses Projekt vorzüglich in unser Programm, das wir mit diesem Haus verbinden.“ Die Sievert Stiftung hat das Projekt von Anfang an begleitet und großzügig gefördert. 

Remarque war nach Hannover gezogen, um bei dem Unternehmen Continental als Werbetexter zu arbeiten. In diese Zeit fällt auch die Namensänderung: Aus Erich Paul Remark machte er Erich Maria Remarque. Nebenher beschäftigte er sich mit seinem zweiten Roman „Gam“ und schrieb einen avantgardistischen Text für die Künstlergruppe „K“, die VG gemeinsam mit Hans Nitschke gegründet hatte. In der Kestner Gesellschaft zeigte VG 1924 seine ersten Werke und Remarque schrieb: „Die Kunst unserer Zeit ist streng und sachlich. Sie verschmäht das Beiwerk; Linie und Fläche geben Form und Ausdruck [… ] Sie sind kristallinisch geschlossen und werfen das Gefühlsbild des Beschauers klar zurück; - ist es da besonders merkwürdig, wenn sie manchem nichts sagen? –“ Für beide Künstler ist das Jahr 1924 also mit einer Wende verbunden. Während jedoch Remarque noch Jahre brauchte, bis er in Berlin seinen Antikriegsroman „Im Westen nichts Neues“ schreiben konnte, zeigte sich VG schon 1924 als ein Künstler, der mit seinen ersten Werken zu seiner konstruktiv-konkreten Ausdrucksweise gefunden hatte. 

Daher haben sich das Erich Maria Remarque-Friedenszentrum und das VG-Haus der Sievert Stiftung für Wissenschaft und Kultur zusammengefunden. „Im Friedenszentrum zeichnen wir Remarques Weg von Osnabrück über Hannover nach Berlin nach, wo er schließlich mit ‚Im Westen nichts Neues‘ die Bühne der Weltliteratur betritt“, sagt Jürgensen. „In Hannover kommt es vor 100 Jahren zu dieser eigentümlichen Kooperation zwischen Remarque und VG., die wir näher beleuchten wollen.“ Im Friedenszentrum werden neben Comics aus der Zeitschrift „Echo Continental“ erstmals auch Original-Manuskripte aus seiner Zeit in dem Unternehmen ausgestellt, das weitere Produkte als Leihgabe zur Verfügung stellt, für die Remarque in den Zwanzigerjahren geworben hat. Zu sehen sind im Remarque-Zentrum außerdem drei Originale, die VG 1924 schuf. Die Ausstellung verdeutlicht, dass Remarque seinen Antikriegsroman ohne die Lehrjahre in Hannover nicht hätte schreiben können. Die letzte Tafel widmet sich schließlich der Bücherverbrennung 1933, mit der die Nazis auch seine Werke vernichten wollten. 

Das VG-Haus präsentiert neben Nachdrucken der Werke, die VG vor 100 Jahren in der Kestner Gesellschaft ausstellte, Werke der zeitgenössischen konkreten Künstler François Morellet, Elisabeth Sonneck, Claudia Wieser und Sophie Heinrich, die Kurator Prof. Dr. Matthias Bleyl, Kunsthistoriker aus Berlin, zusammengestellt hat. Schon in den Werken seiner ersten Ausstellung findet VG zu einer konstruktiv-konkreten Ausdrucksweise. Weil er mit seinen Werken nichts abbilden will, versteht er seine „Konstruktionen“ auch nicht als Bilder. 1924 bewohnte der Autodidakt und gelernte Tischler ein kleines Atelier über der Kestner Gesellschaft, in dem zuvor El Lissitzky gelebt hatte. VG war ein begnadeter Netzwerker. Er gründete nicht nur mit Hans Nitzschke die „Gruppe K“, sondern er traf auch Kurt Schwitters und Theo van Doesburg. Er schloss sich der Künstlervereinigung De-Stijl an, zu der unter anderen auch Piet Mondrian gehörte. 

Für Dr. Siegfried Hoffmann, Vorsitzender der „Stiftung kunst.konkret.konstruktiv - vordemberge-gildewart“ zeigt dieses Kooperationsprojekt die Bedeutung VG’s für Osnabrück, aber auch umgekehrt, die Bedeutung Osnabrücks für VG: „Dass wir nun im Geburtshaus VG’s seine Werke und die von Künstlern zeigen können, die sich mit ihm auseinandersetzen, ist der Lohn für eine jahrelange Arbeit. Das erfüllt mich mit großer Dankbarkeit.“ 

Die Doppelausstellung „Aufbruch 1924: Vordemberge-Gildewart und Remarque – zwei Wegbereiter der Moderne; 2024: Zeitgenössische Perspektiven“ wird gezeigt vom 24. März bis 26. Mai 2024 im Remarque-Friedenszentrum, Markt 6 (Öffnungszeiten: Die-Frei 14-17 Uhr, Sa/So und an Feiertagen: 11-17 Uhr) und im VG-Haus, Große Gildewart 27 (Öffnungszeiten: Die-Fr 10-13 u. 14-17 Uhr, Sa/So und an Feiertagen: 11-17 Uhr). Eintritt und Führungen sind kostenlos. 

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Matthias Bleyl, Elk Franke, Stefan Lüddemann und Sven Jürgensen. 

Das Kooperationsprojekt unterstützen:  Continental AG/Hannover, Axel Springer SE/Berlin, Kunsthandlung TH. Hülsmeier/Osnabrück, Museum Industriekultur Osnabrück (MIK).

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