Der britisch-französische Jurist und Schriftsteller Philippe Sands, KC, wird am Donnerstag, 5. Juni, in Osnabrück mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis ausgezeichnet. Der Sonderpreis geht an Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann für ihr Projekt „Trialoge“.
Philippe Sands, KC, ist nicht nur Professor für Recht am University College London und Gastprofessor für Recht in Harvard, sondern auch als Anwalt vor dem Internationalen Gerichtshof und anderen internationalen Gerichten tätig und fungiert als internationaler Schiedsmann. Sein Thema ist das Völkerrecht.
Dass die Verteidigung dieses Rechts eine aktuelle Herausforderung ist, zeigen die fortschreitenden Angriffe auf die internationalen Institutionen des Völkerrechts und auf die Idee einer globalen Gerichtsbarkeit. Rechtsstaatlichkeit und Verfolgung von z.B. “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” sind bedroht – jüngst sichtbar in den Sanktionen der USA gegen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag und dem Austritt Ungarns aus dem IStGH vor wenigen Wochen.
In seinem Buch Rückkehr nach Lemberg erzählt Philippe Sands die Geschichte seines Großvaters, dem nach dem Anschluss Österreichs 1938 die Flucht gelang, und verwebt diese mit der Geschichte der Begriffe “Genozid” und “Verbrechen gegen die Menschlichkeit”, durch die es erst möglich wurde, z.B. die Verbrechen der Nationalsozialisten zu verurteilen.
“Sands beschreibt die juristische Konzeption dieser Begriffe. Auf deren Grundlage konnte der Schrecken des Nationalsozialismus benannt und geahndet werden. Er verdeutlicht dem Leser, dass es notwendig ist, für diese grundlegenden Rechte einzutreten und daran zu arbeiten, dass sie Bestandteil der internationalen Gerichtsbarkeit bleiben”, sagt die Juryvorsitzende, Prof. Susanne Menzel-Riedl, Präsidentin der Universität Osnabrück.
Oberbürgermeisterin Katharina Pötter, stellvertretende Juryvorsitzende, sagt: “Unsere Welt droht aus den Fugen zu geraten. Umso wichtiger ist es, zu bewahren und zu schützen, was in einer globalisierten Welt Maßstab für richtiges und falsches Handeln ist – und das ist das Recht, das Völkerrecht. Wer dieses Recht in Frage stellt und nicht anerkennt, zerrüttet, was sich die Menschheit durch viel Leid und Mut an Fortschritt erkämpft hat. In diesem Sinne ist die Arbeit von Philippe Sands ebenso beispielhaft wie ermutigend. Er zeigt, was auf dem Spiel steht.”
“Trotz der schöpferischen Qualität von Sands geht es bei unserer Wahl nicht nur um die Person und sein Werk, sondern um ein wichtiges Thema, wofür Sands ein herausragender Preisträger ist. Er ist ein Mensch mit enormem Sachverstand und Originalität und steht für das Internationale Völkerrecht und damit auch für das Schicksal der europäischen Nachkriegsgeschichte”, begründet die Jury ihre Wahl.
Sonderpreis
Das von Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann ins Leben gerufene Projekt “Trialoge” erhält den mit 5.000 € dotierten Sonderpreis. Mit der Auszeichnung soll die Notwendigkeit unterstrichen werden, mit jungen Menschen zu besonders herausfordernden Themen wie den Nahostkonflikt ins Gespräch zu kommen. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem folgenden Krieg im Gazastreifen eskalierte dieser Konflikt auf eine Weise, die ein friedliches Zusammenleben auf absehbare Zeit als unmöglich erscheinen lässt. Wegen ihrer jüdisch/israelischen und muslimisch/palästinensischen Herkunft sind sie von den Auswirkungen der Gewalt, den anhaltenden Menschenrechtsverletzungen und der humanitären Katastrophe in Gaza betroffen. Sie sprechen mit Schülern und Schülerinnen über die emotionalen Herausforderungen dieses Konfliktes. Interkulturelle/interreligiöse Kommunikation »auf Augenhöhe« kann durch das multiperspektivische Gesprächsformat geübt und geschätzt werden, so dass eine Basis entsteht, sich im Sinne der Menschenrechte und des Völkerrechts einander zu nähern.
Der Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis wird unterstützt von der Stiftung Stahlwerk Georgsmarienhütte. Ansgar Pohlmann, Vorsitzender des Vorstandes der Stiftung sagt: “Mit Philippe Sands und dem Projekt ‘Trialoge’ hat die Jury eine vorzügliche Wahl getroffen, die auf verstörende Entwicklungen der Gegenwart aufmerksam macht. Das ist im Sinne des Namensgebers des Friedenspreises.”
“Trialoge” ergänzt das Anliegen des Hauptpreisträgers Philippe Sands durch die Arbeit mit jungen Menschen. “Trialoge” ist ein Projekt der Gesellschaft im Wandel gGmbH in Kooperation mit Transaidency e.V.
Allgemeine Informationen
Seit 1991 verleiht die Stadt Osnabrück alle zwei Jahre den nach dem in Osnabrück geborenen Schriftsteller Erich Maria Remarque benannten Friedenspreis. In diesem Jahr wird die Auszeichnung zum 17. Mal vergeben.
Der Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis wird im Sinne seines Namensgebers für belletristische, journalistische oder wissenschaftliche Arbeiten vergeben, die sich mit Themen des inneren und äußeren Friedens auseinandersetzen, sowie für beispielhaftes Engagement für Frieden, Humanität und Freiheit.